Verkehrsrecht Urteile 2015 |
02.07.2015
Deutschland hat am 8. Juni 2015 ein Gesetz zur Einführung einer Straßennutzungsgebühr für Pkw verabschiedet. Gleichzeitig wurde ein Gesetz verabschiedet, das Haltern von in Deutschland zugelassenen Pkw die Befreiung von der Kfz-Steuer in Höhe der Straßennutzungsgebühr garantiert. Somit werden in Deutschland zugelassene Pkw de facto von der Straßennutzungsgebühr ausgenommen.
Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert. Die hauptsächlichen Bedenken der Kommission betreffen den Aspekt der indirekten Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit. Diese Diskriminierung findet auf zwei Ebenen statt: Zum einen werden deutsche Nutzer die Straßennutzungsgebühr nicht zahlen, weil ihre Kfz-Steuer um den exakten Betrag der Gebühr gesenkt wird. Zum anderen sind die Preise für Kurzzeitvignetten, die typischerweise für ausländische Nutzer vorgesehen sind, überproportional teuer.
Seit der politischen Ankündigung dieser Maßnahme 2013 ist die EU-Kommission in intensivem Kontakt mit den deutschen Behörden über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Europarecht. Nach Bekanntgabe des endgültigen Gesetzestextes musste die Kommission bedauerlicherweise feststellen, dass die grundsätzlichen von der Kommission bislang vorgetragenen rechtlichen Bedenken wegen der Diskriminierung auf Basis der Staatsangehörigkeit unverändert fortbestehen. Aus Sicht der Kommission führt die teilweise auch als ''Ausländermaut'' bezeichnete neue Straßennutzungsgebühr für Pkw dazu, dass EU-Ausländer im Ergebnis stärker belastet werden als deutsche Staatsangehörige. Bei entsprechenden Straßennutzungsgebühren im EU-Ausland (z.B. in Österreich und in Slowenien) ist eine solche Diskriminierung nicht festzustellen.
Nach der Veröffentlichung der deutschen Gesetze wird die Kommission nun entsprechend dem ihr von allen 28 EU-Mitgliedstaaten erteilten Auftrag, als ''Hüterin der Verträge'' über deren Einhaltung zu wachen, umgehend tätig und hat den deutschen Behörden das entsprechende Mahnschreiben übermittelt. Die Kommission befürwortet verhältnismäßige, entfernungsbasierte Nutzungsabgaben, die dem Verursacherprinzip und dem entsprechenden Beitrag zum Unterhalt der Infrastruktur besser Rechnung tragen. Im ''Weissbuch Verkehr'' aus dem Jahr 2011 empfiehlt die Kommission aus diesem Grund, die Straßennutzungsgebühren und die Kfz-Besteuerung so auszurichten, dass von der Preisgestaltung die richtigen Anreize für Nutzer ausgehen.
Die von Deutschland verabschiedete Pkw-Maut deckt sich nicht mit den Zielen des ''Weißbuchs Verkehr'' von 2011, weil kein Verhältnis zur Intensität der Straßennutzung besteht. Die deutschen Behörden haben nun zwei Monate Zeit, um auf die im Aufforderungsschreiben unterbreiteten Argumente der Europäischen Kommission einzugehen. Sollte die Kommission zur Schlussfolgerung gelangen, dass die Reaktion auf dieses Schreiben nicht zufriedenstellend ist, wird sie über eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland befinden.
(Quelle: PM des EU-Kommission)