Arbeitsrecht Urteile 2016 |
05.05.2016
Belästigt ein Arbeitnehmer eine Kollegin sexuell, kann das auch dann eine fristlose Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn der Vorfall schon über ein Jahr her ist, sich die Betroffene aber erst sehr viel später gegenüber dem Arbeitgeber offenbart hat. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) mit Urteil vom 10. November 2015 entschieden (Az.: 2 Sa 235/15).
Der Kläger war seit 1993 als Abteilungsleiter bei der Beklagten, einem Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 20. Januar 2015 fristlos und begründete die Kündigung mit dem Verzehr eines Stückes Fleisches im Wert von 80 Cent. Der Kläger wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage.
Es habe sich um eine erforderliche Probe gehandelt. Nach Ausspruch erfuhr der Arbeitgeber von einem Vorfall aus dem Frühjahr 2014. Damals schloss der Kläger die Tür zu einem Raum, in dem sich nur er und eine Mitarbeiterin befanden. Er drängte sie an die Wand, umarmte sie und strich ihr mit den Armen den Rücken hinab bis zum Po. Die Mitarbeiterin erzählte den Vorfall zunächst ausschließlich der Marktleiterin.
Das LAG erachtete die fristlose Kündigung als rechtmäßig und wies die Kündigungsschutzklage ab. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass die Einlassung des Klägers, es handele sich um eine zulässige Probe, eine Schutzbehauptung war und der Kläger ein Vermögensdelikt zu Lasten seines Arbeitgebers begangen hat. Dies hätte auch trotz langjährigen Arbeitsverhältnisses angesichts der Vorgesetztenstellung zumindest eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt.
Entscheidend wertet das Gericht den nach Beweisaufnahme feststehenden sexuellen Übergriff des Klägers als wichtigen, die fristlose Kündigung begründenden Grund. Da der Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Kündigung davon erfuhr, musste er nicht die Zwei-Wochen-Frist einhalten. Der Vorfall lag zwar lange zurück, konnte die Kündigung aber dennoch begründen. Das Wissen der Marktleiterin ist dem Arbeitgeber nicht zuzurechnen. Sie hatte nicht die Erlaubnis des Opfers, den Vorfall an die Geschäftsführung weiterzumelden. Angesichts der Schwere des Vorfalls war es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
(Quelle: PM des LAG)