Mietrecht Urteile 2015 |
30.07.2015
Bei einem einheitlichen Mischmietverhältnis, das wegen überwiegender Wohnnutzung als Wohnraummietverhältnis anzusehen ist, braucht sich ein vom Vermieter geltend gemachter Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen. So der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 1. Juli 2015 (Az.: VIII ZR 14/15)
Die Beklagten mieteten vom Kläger mit Vertrag vom 1. September 1996 ein ehemals landwirtschaftliches Anwesen (geräumiges Bauernhaus mit Nebenräumen). Sie nutzen das Wohnhaus und die weiteren Nutzflächen vertragsgemäß teils zu Wohnzwecken und teils gewerblich für ein Ladengeschäft zur Raumausstattung.
Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. April 2012 wegen Eigenbedarfs, den er mit dem Wunsch begründete, seiner 28-jährigen Tochter und der 7-jährigen Enkelin, die beide noch in seinem Haushalt lebten, eine eigene Wohnung zur Verfügung zu stellen.
Die Räumungsklage hatte Erfolg vor dem BGH. Das einheitliche Mietverhältnis sei insgesamt als Mietverhältnis über Wohnraum einzuordnen, weil der Schwerpunkt bei der Nutzung des Wohnraums liege. Der Kläger habe den geltend gemachten Eigenbedarf auch nachgewiesen. Der Kündigung des einheitlichen Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs stehe es nicht entgegen, dass die Eigenbedarfspersonen nur die Wohnräume nutzen wollten und ein Bedarf bezüglich der gewerblich genutzten Flächen nicht bestehe.
Auf die gewerblich genutzten Flächen könne insoweit nicht abgestellt werden, auch nicht bei der Beurteilung eines etwaigen "übermäßigen Bedarfs", denn das würde zu einer faktischen Unmöglichkeit einer Eigenbedarfskündigung bei einem als Wohnraummiete zu qualifizierenden Mischmietverhältnis führen.
Der Wunsch des Klägers, die von den Beklagten bewohnten Räume seiner bisher noch im Haus der Eltern untergebrachten Tochter und deren Kind zwecks Begründung eines eigenen Hausstandes zur Verfügung zu stellen, erfüllen die Voraussetzungen für einen Eigenbedarfskündigung. Es ist unerheblich, dass die Tochter des Klägers lediglich die Wohnräume nutzen will und keinen Bedarf an einer Nutzung der übrigen, von den Beklagten für ihr Ladengeschäft benutzten Räume hat. Denn bei einem Mischmietverhältnis, das insgesamt als Wohnraummietverhältnis einzustufen ist, braucht sich der Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen.
Zwar ist auch ein solches Mietverhältnis nur in seiner Gesamtheit nach den Kündigungsvorschriften für Wohnraum kündbar. Das besagt aber nicht, dass ein für die Kündigung erforderliches berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses sich auch auf die gewerblich genutzten Räumlichkeiten beziehen muss.
Denn der mit dieser Vorschrift auf den Mieter von Wohnraum zugeschnittene Schutz schließt eine in das Mietverhältnis mit aufgenommene gewerbliche Nutzung der Mietsache nicht ein. Bei gewerblich oder geschäftlich genutzten Räumen hängt die Befugnis des Vermieters zur ordentlichen Kündigung gerade nicht vom Vorliegen eines berechtigten Interesses ab.
Die Auffassung, der Eigenbedarf des Vermieters müsse sich auch auf untergeordnete gewerblich genutzte Räume erstrecken, würde dazu führen, dass der Vermieter zwar berechtigterweise Eigenbedarf an den zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten geltend machen könnte, damit aber gleichwohl regelmäßig scheitern müsste, weil er für sich keine Möglichkeiten zu einer (sinnvollen) gewerblichen Nachnutzung sieht und damit keinen entsprechenden gewerblichen Nutzungsbedarf geltend machen kann.
Es besteht kein Anlass, das für Wohnraum zu Gunsten des Mieters eingerichtete hohe Schutzniveau wertungswidrig auf die nicht vergleichbar schutzwürdigen Teile des Mietverhältnisses in gewerblicher Nutzung zu erstrecken und damit für Mischmietverhältnisse eine Eigenbedarfskündigung im praktischen Ergebnis weitgehend auszuschließen.