Mietrecht Urteile 2016 |
28.01.2016
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung vom 20. Januar 2016 mit der Frage befasst, ob der Schutz des Mieters bei Anmietung der Wohnung von einem gewerblichen Zwischenmieter auch für den Fall der Vermietung der Wohnung durch eine Mieter-Selbsthilfegenossenschaft als Zwischenmieter an ihre Mitglieder gilt (Az.: VIII ZR 311/14).
Die Kläger sind Rechtsnachfolger ihrer Mutter als Eigentümer eines mit einem großen Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in Berlin (Stadtteil Prenzlauer Berg), das während des NS-Regimes enteignet worden war. Das Haus, in dem seit der Enteignung weder Instandhaltungs- noch Sanierungsmaßnahmen vorgenommen worden waren, wurde nach der Wiedervereinigung an die Mutter der Kläger zurückübertragen. Diese hatte zuvor mit der aus den damaligen Nutzern der Wohnungen bestehenden Selbsthilfegenossenschaft einen Vertrag über die Nutzung, Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes geschlossen.
Gemäß diesem Vertrag sollte die Genossenschaft mit Hilfe öffentlicher Fördergelder umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vornehmen und für die Vertragsdauer von 20 Jahre berechtigt sein, Mietverträge mit ihren Mitgliedern - den bisherigen Nutzern der Wohnungen - abzuschließen. Das von der Genossenschaft an die Mutter der Kläger zu zahlende Nutzungsentgelt betrug 1,50 DM je qm.
Weiter sah der Vertrag die Berechtigung der Genossenschaft vor, nach Ablauf der Vertragsdauer von 20 Jahren die bisherigen Nutzer der Wohnungen als Mieter für die jeweils eigengenutzte Wohnung zu benennen. Dabei sollte der Eigentümer des Hauses verpflichtet sein, mit diesen Nutzern Mietverträge nach üblichem Standardformular unter Vereinbarung der ortsüblichen Vergleichsmiete abzuschließen.
In der Folgezeit führte die Genossenschaft die Sanierung des Gebäudes mit einem Aufwand von rund vier Millionen DM durch, wobei ein Betrag von rund 375.000 DM auf Eigenleistungen entfiel und im Übrigen öffentliche Fördergelder verwendet wurden. Anschließend vermietete sie die Wohnungen an ihre Mitglieder zu Mieten zwischen 1,80 bis 2,86 Euro je qm. Die Nettokaltmieten für die zwischen 53 und 159 qm großen Wohnungen liegen dementsprechend zwischen 124 und 286 Euro.
Nach Ablauf der zwanzigjährigen Nutzungszeit im Jahre 2013 kam es zwischen den Klägern und den Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Kläger in die zwischen der Genossenschaft und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträge als Vermieter eingetreten sind. Die Beklagten meinen, dies sei der Fall und sie hätten daher an die Kläger lediglich die vorstehend genannte bisherige Miethöhe zu zahlen; eine Mieterhöhung sei nur auf der Grundlage des bisherigen Mietniveaus möglich. Ein vorprozessualer Schriftwechsel der Parteien über einen etwaigen Neuabschluss von Mietverträgen blieb ohne Erfolg.
Der BGH hat entschieden, dass die Kläger nicht in die zwischen der Genossenschaft und den Beklagten abgeschlossenen Mietverträge eingetreten sind. Die anzuwendende Vorschrift regelt den Fall, dass der Mieter (hier: die Genossenschaft) nach dem Mietvertrag den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten (hier: den Beklagten) zu Wohnzwecken weitervermieten soll.
Sie ordnet insoweit an, dass der Vermieter bei Beendigung des (Haupt-)Mietvertrages in den zwischen dem Mieter und dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrag eintritt. Der BGH hat entschieden, dass die Voraussetzungen für einen solchen Eintritt der Kläger als Vermieter hier nicht gegeben sind. Denn bei der im Hauptmietvertrag vorgesehenen Weitervermietung an die Mitglieder der als Zwischenmieterin handelnden Selbsthilfegenossenschaft handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um eine gewerbliche Weitervermietung.
Der Regelungszweck der Vorschrift zielt nicht darauf ab, den Schutz des Mieters generell auf Fälle einer Weitervermietung durch den Hauptmieter auszudehnen, sondern nur auf bestimmte Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Eigentümer im eigenen Interesse und zum Zwecke des Anbietens der Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu üblichen Bedingungen einen Zwischenmieter einschaltet, der mit der Weitervermietung wiederum eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. In einem solchen Fall wird der Endmieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages so gestellt, als hätte er die Wohnung direkt vom Vermieter angemietet und gewährt ihm damit insbesondere auch den sozialen Kündigungsschutz.
Eine grundlegend andere Interessenlage besteht hingegen, wenn - wie in dem vom BGH entschiedenen Fall - der Vertragszweck des Hauptmietvertrages nicht die gewerbliche Weitervermietung ist, sondern der Zwischenmieter mit der Weitervermietung gemeinnützige, karitative oder ähnliche Zwecke - wie hier in Gestalt der Wahrnehmung der Interessen der eigenen Mitglieder (der Bewohner des Gebäudes) durch die aus ihnen bestehende Selbsthilfegenossenschaft - verfolgt. Denn die Zwischenvermietung erfolgt dann v. a. im Interesse des Endmieters.
Da der Zwischenmieter in diesem Fall die Interessen des Endmieters in der Regel bereits bei der Gestaltung des Hauptmietvertrags wahrnimmt, besteht nicht die Notwendigkeit, den Mieter darüber hinaus bei Beendigung des Hauptmietvertrages zusätzlich dadurch zu schützen, dass der Eigentümers als Vermieter in den Mietvertrag eintritt. Vielmehr sind derartige Fälle aufgrund des engen Verhältnisses zwischen dem Endmieter und dem Zwischenmieter eher mit der klassischen Untermiete zu vergleichen, in denen der Untermieter bei Beendigung des Hauptmietvertrages ebenfalls keinen Kündigungsschutz genießt.
Im vorliegenden Fall diente die Weitervermietung nicht der Gewinnerzielung oder sonst einem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Genossenschaft, sondern vielmehr dem Interesse ihrer Mitglieder - der Bewohner des Gebäudes - und der Verwirklichung eines Sanierungskonzeptes, das zwischen den Interessen der Eigentümer und der bisherigen Nutzer einen Ausgleich unter Zuhilfenahme öffentlicher Fördergelder herbeiführen sollte. Hierbei hat die Genossenschaft bei Abschluss des Hauptmietvertrages die Interessen ihrer Mitglieder, nämlich der Beklagten als Endmieter, wahrgenommen.
Sie hat dafür gesorgt, dass der Wohnraum den bisherigen Nutzern erhalten blieb und diese in der besonderen Situation nach der Wiedervereinigung Mietverträge zu einer ungewöhnlich niedrigen Miete erhielten. Zugleich hat sie in dem von ihr abgeschlossenen Hauptmietvertrag Vorsorge dafür getroffen, dass die bisherigen Nutzer auch nach Beendigung des Hauptmietvertrages zu angemessenen Bedingungen in den Wohnungen bleiben konnten. Bei dieser Sachlage kommt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder eine direkte, noch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht.
Der BGH hat die mit der Klage erstrebte Feststellung getroffen, dass zwischen den Parteien mietvertragliche Beziehungen nicht bestehen.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20.01.2016)