Wirtschaftsrecht Urteile 2015 |
21.05.2015
Mit einem Urteil vom 7. April 2015 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) einer Ratingagentur untersagt, über ein Unternehmen eine schlechte Bewertung (Scoring) zu erteilen (Az.: 24 U 82/14).
Die Klägerin betreibt seit den 1990er-Jahren ein Unternehmen im Bereich der Luftfahrtindustrie. Eine Insolvenz oder Zahlungsausfälle sind bei ihr bisher nicht vorgekommen. Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsauskunftei, in der sie Informationen und Analysen über Unternehmen sammelt und hieraus Bonitätsauskünfte erstellt, die auf Anfrage Dritten zur Verfügung gestellt werden.
Die Klägerin wurde von der Beklagten mit dem "Risikoindikator 4", dem schlechtesten von vier Werten angegeben. Ferner heißt es in der Bewertung der Klägerin "Das Ausfallrisiko wird als hoch eingestuft" sowie "Sicherheiten empfohlen''. Die Klägerin, die auf die schlechte Bewertung durch eine ihrer Kundinnen aufmerksam gemacht wurde, wandte sich durch einen Anwalt an die Beklagte und forderte Aufklärung. Die Beklagte stufte die Klägerin danach eine Stufe besser mit "3" und das Ausfallrisiko mit "überdurchschnittlich" ein. Die Klägerin erhob hierauf Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, es zu unterlassen, gegenüber Dritten eine schlechte Risikoeinschätzung der Klägerin abzugeben und ihr Ausfallrisiko als hoch einzustufen.
Die Klage hatte vor dem OLG Erfolg: Die von der Beklagten abgegebene äußerst negative Bewertung der Kreditwürdigkeit der Klägerin sei ohne jegliche sachliche Basis. Das Vorgehen der Beklagten bei der Abgabe ihrer verschiedenen Bewertungen sei von einer verantwortungslosen Oberflächlichkeit geprägt und verletze das Recht der Klägerin, keine rechtswidrigen Eingriffe in ihren Gewerbebetrieb erleiden zu müssen. Maßstab für das Ratingagenturen erlaubte Verhalten sei das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Hiernach dürfe ein "Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten erhoben oder verwendet werden, wenn die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind".
Zwar seien die sog. "Scoreformeln" selbst sowie die Basisdaten als geschütztes Geschäftsgeheimnis der Ratingagentur anzusehen. Vorliegend erwecke die Beklagte bei ihren Kunden aus der Wirtschaft aber den Eindruck einer umfassenden Verwertung der verschiedensten Variablen über das bewertete Unternehmen. Genauer betrachtet stütze sie die schlechte Bewertung der Klägerin jedoch einzig und allein darauf, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Kapitalgesellschaft, sondern einen eingetragenen Einzelkaufmann handele. Das reiche nicht aus, da die Verwertung dieses Einzelfaktors dem Maßstab einer komplexen, auf statistischen und wissenschaftlichen Algorithmen beruhenden Bewertung nicht genüge.
(Quelle: PM des OLG)