19.04.2018
Im Jahr 2011 schloss die Gesellschaft DTT mit der Gesellschaft CMR einen Handelsvertreter-Vertrag über den Verkauf von 25 Einfamilienhäusern pro Jahr durch CMR für Rechnung von DTT. Der Vertrag sah eine Probezeit von zwölf Monaten vor, innerhalb deren jede Partei das Recht hatte, ihn mit einer bestimmten Frist zu kündigen. Etwa sechs Monate nach Abschluss des Vertrags kündigte DTT ihn, weil CMR innerhalb von fünf Monaten nur einen einzigen Verkauf getätigt und damit das vertraglich vereinbarte Ziel nicht eingehalten hatte.
CMR verlangt von DTT die Zahlung eines Ausgleichs zum Ersatz des mit der Beendigung des Handelsvertreter-Vertrags verbundenen Schadens. Der Handelsvertreter hat nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf einen Ausgleich oder auf Schadensersatz. Der Handelsvertreter (im vorliegenden Fall CMR) hat Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer (im vorliegenden Fall DTT) entstandenen Schadens, wenn er dadurch
- Provisionsansprüche verliert, die ihm bei normaler Fortsetzung des Vertrags zugestanden hätten und deren Nichtzahlung dem Unternehmer einen wesentlichen Vorteil verschaffen würde, und/oder
- Kosten und Aufwendungen nicht amortisieren kann, die er in Ausführung des Vertrags auf Empfehlung des Unternehmers gemacht hatte.
Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn
- er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
- die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der mit dem Rechtsstreit zwischen CMR und DTT befasste französische Kassationsgerichtshof, möchte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob die Vorschrift, die den Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch vorsieht, auch dann anwendbar ist, wenn der Handelsvertreter-Vertrag während der Probezeit beendet wird.
In seinem Urteil vom 19. April 2018 stellt der EuGH zunächst fest, dass die in der Vorschrift nicht geregelte Vereinbarung einer Probezeit unter die Vertragsfreiheit fällt und nicht per se verboten ist. Die vorgesehene Ausgleichs- und Schadensersatzregelung soll keine Sanktion für die Vertragsauflösung sein, sondern den Handelsvertreter für die von ihm erbrachten Leistungen, aus denen der Unternehmer über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus Vorteile zieht, oder für die Kosten und Aufwendungen, die ihm für diese Leistungen entstanden sind, entschädigen soll.
Daher darf dem Handelsvertreter der Ausgleich oder Schadensersatz nicht allein deshalb versagt werden, weil die Beendigung des Handelsvertreter-Vertrags während der Probezeit eingetreten ist. Folglich besteht der Anspruch auf Ausgleich und auf Ersatz des erlittenen Schadens auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter während der Probezeit eintritt.
Das Ziel der Vorschrift besteht u. a. im Schutz des Handelsvertreters in seiner Beziehung zum Unternehmer, daher sei jede Auslegung der Vorschrift, die sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweisen könnte, ausgeschlossen. Würde man die Gewährung einer Entschädigung ohne Berücksichtigung der Leistung des Handelsvertreters oder der ihm entstandenen Kosten und Aufwendungen von der Vereinbarung oder Nichtvereinbarung einer Probezeit im Handelsvertreter-Vertrag abhängig machen, würde er benachteiligt, weil ihm jegliche Entschädigung nur deshalb versagt würde, weil sein Vertrag mit dem Unternehmer eine Probezeit enthält.
(Quelle: PM des EuGH)
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