Verkehrsrecht Urteile 2016 |
05.05.2016
Die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (hier 121 km/h statt zugelassener 50 km/h) durch einen vorfahrtberechtigten Motorradfahrer vor dem Zusammenstoß mit einem aus einer rechtsseitig gelegenen, untergeordneten Autobahnabfahrt nach links abbiegenden Pkw-Fahrer kann eine Haftungsverteilung von 30% zu 70% zu Lasten des Motoradfahrers rechtfertigen. So urteilte das Oberlandesgericht Hamm (OLG) mit Urteil vom 23. Februar 2016 (Az.: 9 U 43/15).
Klägerin ist die Krankenkasse des Motorradfahrers. Sie nimmt den Pkw-Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihr aufgrund eines Unfalls des Motorradfahrers entstanden sind. Im September 2011 befuhr der Motorradfahrer eine Straße, auf der in Höhe einer von rechts einmündenden Autobahnabfahrt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h begrenzt war. Diese Begrenzung ließ der Motorradfahrer außer Acht, sein Motorrad war mindestens 121 km/h schnell.
Der beklagte Pkw-Fahrer bog mit seinem Pkw langsam nach links ab, als das Motorrad noch ca. 250 m entfernt war. Aufgrund des Abbiegemanövers leitete der Motorradfahrer eine Bremsung ein und wich nach links aus, kollidierte jedoch mit dem abbiegenden Pkw. Bei dem Unfall zog sich der Motoradfahrer schwere Verletzungen zu. Im vorliegenden Zivilprozess haben die Parteien im Wege der Feststellungsklage darüber gestritten, ob der Pkw-Fahrer für den Unfall mitverantwortlich ist und die Beklagten der Klägerin deswegen 1/3 der unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen haben. Das OLG hat eine 30%ige Haftung der Beklagten für das Unfallgeschehen bejaht. Auf Seiten des Motorradfahrers sei zunächst die unfallursächliche, massive Tempoüberschreitung zu berücksichtigen, von der die Klägerin selbst ausgehe.
Allerdings liege auch auf Seiten des Pkw-Fahrers ein schuldhaftes Verhalten vor. Beim Beginn seines Abbiegevorgangs sei das mit eingeschaltetem Fahrlicht herannahende Motorrad für den Pkw-Fahrer zu sehen gewesen. Wenn er dieses erst nach Abbiegebeginn erstmals wahrgenommen habe, habe er den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße nicht ausreichend beachtet.
Bei ausreichender Ausschau habe er die erhebliche Geschwindigkeit des Motorrads erkennen können und dann zuwarten müssen. Keinesfalls habe er in der tatsächlich erfolgten langsamen Weise mit nur geringer Beschleunigung abbiegen dürfen, sondern zügig anfahren müssen. Beim Zuwarten und auch beim zügigen Abbiegen wäre der Zusammenstoß zu vermeiden gewesen. Die damit ebenfalls unfallursächliche Vorfahrtsverletzung des Pkw- Fahrers rechtfertige eine Haftungsquote von 70% zu 30% zu Lasten der Beklagten.
(Quelle: PM des OLG)