Verkehrsrecht Urteile 2016 |
01.12.2016
Nach der Auffassung des Landgerichts Coburg (LG) hatte eine Zeugin gelogen. Es gab der Klage eines Motorradeigentümers statt und verurteilte die Beklagten mit Urteil vom 30. September 2016 zur Zahlung von Schadensersatz (Az.: 33 S 24/16).
Nicht selten scheitern Klagen vor Gericht nach der Vernehmung von Zeugen und der Anhörung von Sachverständigen an der Beweislast. Kann sich das Gericht nicht ausreichend davon überzeugen, dass die Schilderungen derjenigen Partei der Wahrheit entsprechen, welche die Beweislast trägt, geht die Entscheidung zu ihren Lasten. Das trifft häufig die Klägerseite, weil sie die Beweislast für solche Umstände trägt, die den von ihr geltend gemachten Anspruch stützen.
Wann aber das Gericht von einer Behauptung überzeugt ist und sie damit als zutreffend seinem Urteil zu Grunde legen kann, hängt in jedem Einzelfall von einer Vielzahl verschiedener Umstände ab:
Wie wahrscheinlich ist die Schilderung der Partei?
Welchen persönlichen Eindruck hat das Gericht vom Zeugen und seinem gesamten Auftreten in der Verhandlung?
Lässt sich die umstrittene Behauptung mit der auch bei den Richtern vorhandenen allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang bringen?
Welche Interessen könnte ein Zeuge am einen oder anderen Ausgang des Rechtsstreits haben?
Diese und andere Fragen stellen sich Richter bei der sog. Beweiswürdigung, bevor sie entscheiden, ob sie die Behauptungen einer Partei glauben oder nicht. Die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung ist dabei dann gewonnen, wenn vernünftige Zweifel daran fehlen.
Dass diese Frage jeder Richter individuell sehr unterschiedlich beantworten kann, zeigte erneut eine aktuelle Entscheidung des LG. Im Rechtsstreit wollte der Kläger Schadensersatz für sein Motorrad, das während eines Fußballspiels auf dem benachbarten Parkplatz umgefallen war und hierbei beschädigt wurde. Hatte eine der Beklagten das hinter dem Pkw stehende Zweirad beim Rückwärtsfahren umgestoßen oder war das Kraftrad auf unebenem Gelände nicht ausreichend standfest abgestellt und durch einen plötzlichen Windstoß umgeworfen worden?
Ein Sachverständiger hatte herausgefunden, dass eine Spur an der hinteren Stoßstange des Pkw zwar von einem Motorradreifen stammen kann, aber nicht muss. Auch war danach ein Umfallen des Motorrades nach einem Windstoß dann möglich, wenn jedenfalls das Hinterrad nicht auf dem festen Asphalt, sondern im Bankett auf unebenem Untergrund gestanden hätte. Eine SMS der Fahrerin des Autos an ihren Trainer legte eine Kollision zwischen Pkw und Motorrad zwar nahe, war jedoch nicht vollkommen eindeutig.
Das LG würdigte die Angaben der Zeugen und glaubte im Ergebnis dem Kläger, dass sein Motorrad vom Pkw der Beklagten beim Rückwärtsfahren umgeworfen worden war. Ausgeschlossen war dies ja nach dem Gutachten nicht. Auch wenn die beiden Zeugen, die bestätigt hatten, dass das Motorrad vollständig auf dem festen Asphalt abgestellt worden war, mit dem Sohn des Klägers und dessen Freund eher dem Kläger zugeneigt gewesen sein dürften, glaubte ihnen das LG trotzdem. Entspricht es doch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Motorradfahrer ein unsicheres Abstellen seines Fahrzeuges im Bankett wenn wie hier möglich vermeiden wird.
Eine Zeugin der Beklagtenseite hatte zwar behauptet, sie habe das Motorrad zufällig während einer Unterbrechung des Fußballspiels ohne Einwirkung durch ein Auto umfallen sehen. Das glaubten die Richter der Zeugin jedoch nicht. Neben Unstimmigkeiten im zeitlichen Ablauf, in der farblichen Beschreibung des Motorrades und dessen konkreten Standort wäre der von der Zeugin geschilderte Geschehensablauf von so vielen unwahrscheinlichen Zufällen abhängig gewesen, dass das LG von einer falschen Aussage der Zeugen überzeugt war. Weil auch die Fahrerin des Pkw keine plausible Erklärung für die von ihr verfasste SMS hatte, glaubte das LG dem Kläger und verurteilte die Beklagten zu Zahlung des vom Kläger geforderten Schadensersatzes.
(Quelle: PM des LG)