Verkehrsrecht Urteile 2019 |
24.01.2019
Das Amtsgericht München (AG) wies am 13. Juni 2018 die Klage eines Klägers gegen den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 1.332,94 Euro ab (Az.: 132 C 2617/18). Der Kläger fuhr am 11. Dezember 2017 am frühen Abend mit einem älteren automatikgetriebenen VW-Sharan samt Anhänger nach München, um dort einen Schrank abzuholen, den er über eBay-Kleinanzeigen gekauft hatte.
Da unklar war, ob er das Fahrzeuggespann im Hof wenden konnte, hielt er zunächst in der Einfahrt, einer Feuerwehrzufahrtszone, in der absolutes Halteverbot galt. Das Auto samt Anhänger versperrte auch vollständig die Zufahrt zum Hof. Der Kläger verließ dann zusammen mit seinem Helfer das Auto, um den Verkäufer des Schrankes zu treffen. Seine siebenjährige Tochter blieb allein im Auto zurück.
Der Beklagte wollte als Mieter einer Garage im besagten Hof zu seiner Garage fahren. Er stieg deswegen aus seinem Auto aus um den Fahrer des behindernden Fahrzeugs zu bitten, zur Seite zu fahren. Er stellte fest, dass in dem Fahrzeug kein Fahrer und die Tür des Fahrzeugs nicht verschlossen war. Er will die Tochter des Klägers nach dem Fahrer gefragt haben, diese habe aber nicht angeben können, wann der Vater zurückkommen würde.
Um das Hindernis zu beseitigen stellte der Beklagte deswegen das Automatikgetriebe von P auf N, und schob das Fahrzeug samt Anhänger nach vorne und so zur Seite der Einfahrt. Dort zog er dann die Handbremse an. Der Zündschlüssel des klägerischen Fahrzeugs steckte zu dieser Zeit nicht im Schloss. Danach parkte er sein Fahrzeug in seiner Garage im Hof.
Der Kläger kam zum Fahrzeug zurück, als der Beklagte in den Hof gefahren war, nach eigener Einschätzung etwa drei Minuten nach dem Abstellen des Fahrzeugs. Danach habe er beim Weiterfahren bemerkt, dass das bis dahin intakte Getriebe durch das Schalten bei abgezogenem Zündschlüssel beschädigt worden sei. Für Reparatur und Mietwagen habe er 1.332,94 Euro bezahlen müssen.
Das AG sah den Schadensersatzanspruch als unbegründet an. In Betracht komme als Anspruchsgrund nur eine Schadensersatzpflicht aus deliktischen Anspruchsgrundlagen. Diese setzen aber ein Verschulden voraus, also die Vorwerfbarkeit und damit die Widerrechtlichkeit des als schadensbegründend geltend gemachten Verhaltens. Schon hieran fehle es. Das Verhalten des Beklagten sei durch besitzrechtliche Selbsthilfe gedeckt und deswegen nicht widerrechtlich. Der Kläger störte den Beklagten durch die Verhinderung der Zufahrt in dessen Besitzrecht an seiner Garage und war deswegen zur Beendigung der Störung verpflichtet. Diese Beseitigung durfte der Beklagte selbst vornehmen, und zwar mit Gewalt. Zwar unterliegt auch das Selbsthilferecht Schranken des Übermaßverbotes, so dass bei geringfügigen Störungen nicht uneingeschränkt Gewalt angewendet werden darf.
Dass das Verstellen des Schalthebels eines Automatikgetriebes, ohne dass der Zündschlüssel steckt, zu einer Beschädigung des Getriebes führt, sei jedenfalls nicht so offensichtlich, dass sich dies jedermann aufdrängt. Das Verhalten des Beklagten wäre nur fahrlässig. Aufgrund der berechtigten Reaktion auf eine Besitzstörung verliere aber das Verhalten in diesem Umfang seine Vorwerfbarkeit. Der Beklagte durfte das fremde Auto öffnen, den Schalthebel auf Fahrt umschalten und das Auto wegschieben, da nicht für jeden offensichtlich war, dass das Auto dadurch beschädigt werden würde.
Der Beklagte musste auch nicht abwarten. Nur wenn ersichtlich ist, dass die Störung sofort behoben wird, also der gestörte Besitzer mit der Beseitigung der Störung nicht schneller sein würde als der Störer, wäre ein Abwarten zu fordern. Unstrittig ist, dass für den Beklagten nicht zu ersehen war, wann der Kläger zum Auto zurückkommen würde. Auch etwa eine sofortige Erreichbarkeit über eine Handynummer war nicht auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe sichtbar vermerkt.
(Quelle: PM des AG)