Familienrecht Urteile 2012 |
02.04.2012
Nach geltendem deutschen Recht kann der leibliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nicht anfechten, wenn zwischen diesem und dem Kind eine sog. sozial-familiäre Beziehung besteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat jetzt entschieden, dass diese Regelung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt (Urteil vom 22. März 2012, Az.: 45071/09 und 23338/09).
In den zugrunde liegenden Fällen hatten sich zwei Väter gegen die Urteile der deutschen Familiengerichte gewandt, die ihre Klagen auf Vaterschaftsanfechtung abgewiesen hatten. Einer der Kläger ist leiblicher Vater einer Tochter, der andere mutmaßlich leiblicher Vater einer Tochter. In beiden Fällen hatte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft anerkannt und galt deshalb als rechtlicher Vater.
Die angerufenen Gerichte verwiesen auf eine bestehende sozial-familiäre Beziehung zum rechtlichen Vater, die eine Vaterschaftsanfechtung ausschloss. Daraufhin riefen die Kläger den EGMR an, weil sie meinten, sie würden durch die Urteile im Verhältnis zur Mutter, zum rechtlichen Vater und zum Kind diskriminiert.
Die deutsche Regelung verletze weder das Recht der Väter auf Achtung des Familienlebens noch verstoße sie gegen das Diskriminierungsverbot nach der EMRK, so das Fazit der Straßburger Richter. Die deutschen Gerichte hätten sich in ihren Entscheidungen nach dem Willen des Gesetzgebers gerichtet, einem bestehenden Familienverband zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater Vorrang einzuräumen gegenüber der Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und seinem Kind.
In solchen Fällen hätten die Mitgliedsstaaten - also auch Deutschland - einen weiten Beurteilungsspielraum. Sie müssten zwar dem leiblichen Vater ermöglichen, durch Gewährung eines Umgangsrechts eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen, wenn das dem Kindeswohl entspricht. Daraus folge aber nicht zwingend eine Verpflichtung, dem biologischen Vater auch die Möglichkeit einzuräumen, den Status des rechtlichen Vaters anzufechten.