Familienrecht Urteile 2018 |
01.11.2018
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2018 mit der Frage zu befassen, ob die Ehefrau der das Kind gebärenden Mutter (allein) aufgrund der bestehenden Ehe als weiterer Elternteil des Kindes in das Geburtenregister einzutragen ist (Az.: XII ZB 231/18). Er hat dies verneint, weil die bei verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren geltende Abstammungsregelung bei gleichgeschlechtlichen Ehepaaren nicht gilt.
Die Kindesmutter und die Antragstellerin lebten seit Mai 2014 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Nach Einführung der "Ehe für alle" schlossen sie am 12. Oktober 2017 durch Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft die Ehe. Am 3. November 2017 wurde das Kind geboren, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses der beiden Frauen durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt worden war. Im Geburtenregister wurde die Mutter eingetragen, nicht aber ihre Ehefrau als weiterer Elternteil. Diese beantragte daraufhin erfolglos beim Standesamt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt werde.
Der BGH bestätigt die Zurückweisung des Antrags der Ehefrau, sie "als weiteres Elternteil bzw. als weitere Mutter" einzutragen. Das Geburtenregister ist nicht unrichtig, weil die Ehefrau der Kindesmutter nicht mit der Geburt rechtlicher Elternteil des Kindes geworden ist. Die allein in Betracht zu ziehende Elternstellung wegen Heirat mit der Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt scheidet aus, weil die zugrunde liegende Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Ehe zweier Frauen anwendbar ist. Mit der "Ehe für alle" hat der Gesetzgeber zwar die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, jedoch das Abstammungsrecht (noch) nicht geändert.
Die direkte Anwendung der Vorschrift kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese aufgrund einer widerlegbaren Vermutung einem bestimmten Mann zuweist. Die Abstammungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) haben nach wie vor die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand. Das Gesetz nimmt ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil hat, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unterschiedlichen Geschlechts vor.
Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anwendbar, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen. Das Gesetz weist schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mit-Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigen wollte.
Er hat aber bislang von einer Reform des Abstammungsrechts bewusst Abstand genommen, wie der Umstand belegt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Arbeitskreis eingesetzt hat, der eine umfassende Reform des Abstammungsrechts vorbereiten sollte und sich dabei auch intensiv mit der Frage gleichgeschlechtlicher Elternschaft befasst hat.
Dieser hat seinen Abschlussbericht am 4. Juli 2017 und damit wenige Tage vor Erlass des Gesetzes zur "Ehe für alle" vorgelegt, sodass der Bericht nicht mehr in das Gesetz zur Neuregelung der Ehe vom 20. Juli 2017 einfließen konnte. Daneben fehlt es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen mit der gesetzlich geregelten Elternschaft des mit der Kindesmutter verheirateten Mannes. Denn die Vaterschaft kraft Ehe beruht darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbildet. Die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende widerlegbare Vermutung der Vaterschaft ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet.
Die bestehende Rechtslage verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Insbesondere stellt es keine Ungleichbehandlung dar, dass die Ehefrau der Kindesmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes ist. Vielmehr ist die Situation insoweit verschieden, als die Ehefrau rein biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein kann.
Dieser Unterschied rechtfertigt die im Rahmen des Abstammungsrechts nach wie vor bestehende abweichende Behandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Ehepaare und deren Kinder. Die Ehefrau einer Kindesmutter bleibt daher jedenfalls bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf eine Adoption verwiesen, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 30.10.2018)