Wirtschaftsrecht Urteile 2014 |
31.07.2014
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 16. Juli 2014 mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Versicherungsnehmer nach jahrelanger Zahlung der Versicherungsprämien den Widerruf des Vertrages erklären und die geleisteten Beiträge von der Versicherungsgesellschaft zurückfordern kann (Az.: IV ZR 73/13). Der klagende Versicherungsnehmer begehrt Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch auf Grundlage des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Der Versicherungsvertrag wurde 1998, nach dem (von Mitte 1994 bis Ende 2007 gültigen) VVG, als sog. Policenmodell geschlossen.
Der Kläger erhielt mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation und wurde ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Kläger zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Im Jahr 2004 kündigte er den Versicherungsvertrag und erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 erklärte er den Widerspruch. Der BGH hat die Klage abgewiesen. Der Kläger kann nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der zum Vertragsschluss geltenden Fassung des VVG unwirksam. Der BGH sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Bestimmungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung dem Policenmodell entgegenstehen könnten.
Die einschlägige Vorschrift des VVG in der alten Fassung ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die genannten Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten, sondern dies dem nationalen Recht überlassen. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte nach nationalem Recht erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten. Auf diese Weise war eine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderliche Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt. Der Kläger begehrte die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Dieses Begehren schied auch bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankam. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hing nicht von der unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.
Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2014)