Verkehrsrecht Urteile 2021 |
25.03.2021
Zur Klärung von Zweifeln an der Fahreignung ist auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) beizubringen, wenn der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, bei ihm aber trotz einer BAK von 1,1 Promille oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgestellt wurden. In einem solchen Fall begründen sonst Tatsachen die Annahme von (künftigem) Alkoholmissbrauch.
Die dadurch hervorgerufenen Zweifel an der Fahreignung hat die Fahrerlaubnisbehörde nach dieser Vorschrift durch die Anforderung eines MPU zu klären. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 17. März 2021 entschieden (Az.: 3 C 3.20). Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der die Blutprobe eine BAK von 1,3 Promille ergeben hatte, verurteilte ihn das Strafgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und entzog ihm die Fahrerlaubnis.
Als der Kläger bei der beklagten Stadt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragte, forderte sie ihn auf, ein MPU zur Klärung der Frage beizubringen, ob er trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde. Weil der Kläger ein solches Gutachten nicht vorlegte, lehnte die Beklagte seinen Neuerteilungsantrag ab.
Die hiergegen gerichtete Klage keinen Erfolg. Die Beklagte durfte auf die Nichteignung des Klägers schließen, da er ihr kein positives MPU vorgelegt hatte. Sie hatte von ihm zu Recht die Beibringung eines solchen Gutachtens gefordert. Nach der einschlägigen Regelung ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung einer Fahrerlaubnis an, dass ein MPU beizubringen ist, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können.
Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung erreicht haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Die Giftfestigkeit führt u. a. dazu, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann. Deshalb liegt in dem Umstand, dass der Betroffene trotz eines bei seiner Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug festgestellten hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, eine aussagekräftige Zusatztatsache.
Dieser zusätzliche tatsächliche Umstand rechtfertigt die Anforderung eines MPU. Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung ausgegangen werden, wenn der Betroffene bei seiner Trunkenheitsfahrt eine BAK von 1,1 Promille oder mehr aufwies. Außerdem muss festgestellt und dokumentiert worden sein, dass er dennoch keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigte. Diese Voraussetzungen waren im Falle des Klägers erfüllt.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.03.2021)