Familienrecht Urteile 2015 |
12.03.2015
Das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG) hat mit Urteil vom 28. November 2014 entschieden, dass der Kläger, ein 2-jähriges Kind, einen Anspruch gegen die Stadt Stuttgart hat auf Erstattung der Mehrkosten für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz in Höhe der Differenz der Kosten zwischen einem Platz in einer städtischen Kindertageseinrichtung und der Kosten für den Platz in der von ihm besuchten Kinderkrippe (Az.: 7 K 3274/14).
Das Gericht hat die Stadt deshalb verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum August 2013 bis Oktober 2014 Kosten in Höhe von insgesamt 5.620 Euro zuzüglich gestaffelter Zinsen zu erstatten. Zudem hat es festgestellt, dass die Stadt verpflichtet ist, dem Kläger bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auch die weiteren Kosten für seine Unterbringung in seiner privaten Kinderkrippe in Stuttgart zu erstatten, soweit diese die Kosten überschreiten, die bei einer Unterbringung in einer städtischen Tageseinrichtung entstehen würden, solange dem Kläger kein zumutbarer Platz in einer städtischen Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege durch die Beklagte bereitgestellt wird.
Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist zum Aufwendungsersatz verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte ihn vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorlagen und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Eltern des Klägers haben ihren Betreuungsbedarf rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht.
Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf. Der Anspruch dient der Erhöhung der Chancengleichheit der Kinder und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten, in ihrem Zuständigkeitsbereich reichten die zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren trotz aller Maßnahmen und Anstrengungen, auch in finanzieller Hinsicht, nicht aus, um den Platzbedarf decken zu können, und aufgrund des Fachkräftemangels könnten auch nicht alle offenen Erzieher-/Erzieherinnenstellen besetzt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch auch nicht dadurch erloschen, dass die Eltern des Klägers für ihn einen privaten Betreuungsplatz gefunden haben. Der Kostenerstattungsanspruch setzt gerade eine Selbstbeschaffung voraus.
Im Übrigen richtet sich der Anspruch gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dieser ist aufgrund seiner Gesamtverantwortung für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben sowie auch seiner Planungsverantwortung nicht nur institutionell, sondern auch im individuellen Einzelfall für die Hilfegestaltung zuständig und kann diese Aufgabe nicht auf die Eltern abwälzen.
Nachdem die Beklagte den berufstätigen Eltern den benötigten Betreuungsplatz nicht beschafft hat und ihnen auch keinen Platz in Aussicht stellen konnte, duldete die Deckung des Bedarfs auch keinen Aufschub. Schließlich ist für das VG nicht erkennbar, dass die Eltern des Klägers ihre Pflicht zum wirtschaftlichen Handeln verletzt und überzogene Kosten verursacht haben. Die Eltern des Klägers haben überzeugend dargelegt, dass sie sich auf vielfältige Weise bei der Beklagten sowie auch bei anderen Betreuungseinrichtungen um einen Betreuungsplatz bemüht haben, damit aber nicht erfolgreich waren.
(Quelle: PM des VG)