Arbeitsrecht Urteile 2014 |
11.09.2014
Der Arbeitgeber haftet gegenüber der Berufsgenossenschaft nicht bei jeder ihm vorzuwerfenden Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften auf dem Bau. Da der Arbeitgeber an die Berufsgenossenschaft Beiträge für die Unfallversicherung gezahlt hat, ist er bei einem Arbeitsunfall eines Mitarbeiters nur bei einem besonders krassen und subjektiv schlechthin unentschuldbaren Fehlverhalten verpflichtet, der Berufsgenossenschaft die Aufwendungen für den Arbeitsunfall zu erstatten.
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (OLG) hat dementsprechend die Klage der Berufsgenossenschaft gegen einen Bauunternehmer auf Erstattung von Aufwendungen für einen Arbeitsunfall mit Urteil vom 6. März 2014 (Az.: 11 U 74/13) abgewiesen.
Der beklagte Arbeitgeber ist Bauunternehmer. Zusammen mit einem bei ihm beschäftigten Betonmischer/Einschaler führte er auf der Baustelle eines Einfamilienhauses die Verschalungsarbeiten für die Kellergeschossdecke durch, indem sie Schaltafeln auf der Trägerlage befestigten. Im Bereich zu dem Kellertreppenöffnungsschacht waren die verlegten Schaltafeln zunächst nicht auf den Trägerbalken vernagelt und standen in den Kellertreppenöffnungsschacht über.
Als der Bauunternehmer vor dem Ende der Verschalungsarbeiten die Baustelle verließ, wies er zuvor seinen Mitarbeiter an, im Bereich des Kellertreppenöffnungsschachts die Schalplatten um den über den Trägerbalken hinausragenden Teil zu verkürzen und dann auf dem Trägerbalken zu vernageln.
Nachdem der Mitarbeiter zunächst andere Arbeiten durchführte, betrat er nachfolgend eine der unbefestigten Schalplatten, die in den Schacht hineinragte, kippte mit der Platte um und stürzte 2,40 Meter tief auf den Betonfußboden des Kellergeschosses. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und brach sich das Schulterblatt. Die Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft kam als gesetzlicher Unfallversicherer für die Folgen des Arbeitsunfalls auf, verlangte allerdings vom Arbeitgeber Erstattung der Kosten. Nach den Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten hätte eine Absturzsicherung (z. B. Geländer, Abdeckung) für den Treppenöffnungsschacht hätte angebracht werden müssen.
Das OLG wies die Klage ab. Als Arbeitgeber haftet er der Berufsgenossenschaft für die infolge des Arbeitsunfalls entstandenen Aufwendungen nur dann, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges Verhalten zu werten. Wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten Beiträge sollen die Unternehmer grundsätzlich von einer Haftung freigestellt sein. Sie sollen im Wege des Rückgriffs nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine besonders krasse und subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt. Ein subjektives Fehlverhalten in einem solchen Ausmaß kann dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden.
Die nach den Unfallverhütungsvorschriften erforderliche Sicherung des Kellertreppenschachts als (mehr als 2 m) tiefe Deckenöffnung, z. B. durch Abdecken oder Anbringen eines Geländers, gilt erst nach Abschluss der Verschalungsarbeiten, nicht aber während der laufenden Verschalungsarbeiten. Wenn man das anders sehen würde, wären die Verschalungsarbeiten für eine Geschossdecke kaum praktisch durchführbar, weil jeweils nach Verlegung eines Schalbrettes eine neue Absturzsicherung angebracht werden müsste. Ob darüber hinaus für die laufenden Verschalungsarbeiten zusätzliche Absturzsicherungen zur Sicherheit des Mitarbeiters geboten waren, kann dahinstehen, weil dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden kann, dass er grob fahrlässig jegliche Sicherheitsvorkehrung unterlassen hat.
Bei fachgerechter Ausführung der Verschalungsarbeiten nach Verlegung und Vernagelung des ersten Schalbretts hätte stets ein gesicherter Untergrund für die Verlegung und Vernagelung des nächsten Schalbretts zur Verfügung gestanden. Der Arbeitgeber hatte seinem Mitarbeiter die Anweisung gegeben, die Schalplatten, die in den Kellertreppenschacht hineinragten, zu verkürzen und anschließend zu vernageln. Bei dem Verletzten handelte es sich um einen erfahrenen Mitarbeiter, so dass der Arbeitgeber nicht damit rechnen musste, dass dieser sich nicht an die Arbeitsanweisung halten und dann selbst auf die ihm bekanntermaßen losen Schalbretter treten würde.
(Quelle: PM des OLG)